„Aber Du kommst nicht von da.“
„Nö.“
„Und woher?“
„…“
Diesen oder einen ähnlichen Dialog führe ich in den Büros dieser Gegend immer mal wieder. Ich stamme nicht aus Stuttgart. Aber woher denn dann?
Geboren wurde ich in Neumünster in Schleswig-Holstein, und da habe ich auch meine ersten fünf Jahre verbracht. Aber schon meine Eltern waren nur wegen der Arbeit dorthin gezogen und zogen aus demselben Grund auch wieder da weg, drum habe ich heute keine emotionale Beziehung mehr dorthin.
Dann habe ich zwei Jahre in Warburg in Südostwestfalen gewohnt. Aus der Gegend stammen meine Eltern, und wir haben dort auch einige Verwandte. Ich ging da in die erste Klasse, aber es war schon von vornherein klar, dass wir nicht auf Dauer bleiben würden. Trotzdem habe ich dahin schon eine engere Verbindung.
Ab der zweiten Klasse bis zu meinem dreißigsten Lebensjahr wohnte ich dann in Oberbayern — erst in Grafing bei München (ja, das heißt wirklich so), dann in Aßling im Landkreis Ebersberg und schließlich in München. Die Gewöhnung war anfangs schwierig: bei den Kindern der bayerischen Provinz ist man als „Saupreiß“ nicht besonders willkommen. Durch fortgesetzten Aufenthalt in Bayern habe ich mich aber ganz gut eingelebt. So weit und so lang, dass es sogar meine Sprachfärbung deutlich beeinflusst hat (aber nicht genug, um das, was ich spreche, „Bairisch“ zu nennen). Richtig Heimat ist mir aber auch Bayern nie geworden, immerhin habe ich auf dem kleinen Dorf bei Aßling festgestellt, dass ich kein Dorfbewohner bin sondern eher Stadtmensch.
Als mein Arbeitgeber in München sich vor neun Jahren auflöste, verschlug es mich durch Kontakte aus den Projekten nach Stuttgart. Dadurch bin ich auf direktem Wege vom „Zuagroaßten“ zum „Neigschmeckten“ geworden. Bayern und Schwaben haben gemeinsam, dass sie Neuankömmlingen gegenüber nicht eben aufgeschlossen sind. Deshalb habe ich hier hauptsächlich Kontakt mit ebenfalls Zugereisten. Schwabe werde ich also wohl auch nicht mehr werden. Unsere beiden Kinder hingegen sind hier geboren und wachsen auch hier auf und bringen aus Kindergarten und Schule schwäbische Ausdrücke mit nach hause. Wenn wir lang genug da bleiben, dann wird es für sie vielleicht zur Heimat.
Meine Eltern sind nach der Pensionierung meines Vaters wieder nach Warburg gezogen — zurück in ihre Heimat.
Aber wo ist dann meine Heimat? Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht. Eigentlich habe ich so etwas gar nicht, und die meiste Zeit vermisse ich das auch nicht. Nur manchmal, wenn ich nach meinen Ursprüngen gefragt werde, oder wenn ich mich selbst frage, wohin ich eigentlich ohne all die anderen Zwänge des Lebens gehen würde, dann kann ich darauf keine richtige Antwort geben.
(Dies ist mein Beitrag zur Blogparade „Was ist Eure Heimat?“ von Katja Wenk (@katjazwitschert).)
11 Antworten auf „Heimat?“
Schöner Beitrag! Ich kann das – wenn auch nur ein wenig, aufgrund anderer Lebensumstände – nachvollziehen. Geboren und aufgewachsen bin ich woanders, jetzt lebe ich aber auch schon 12 Jahre in Stuttgart. Die ursprüngliche Heimat hat sich natürlich in meiner Abwesenheit stark verändert, und vieles in Stuttgart hat mir so gut gefallen, dass ich den „Heimatort“ mittlerweile recht kritisch sehe. Und je öfter ich dort bin, um so weniger kann ich mir vorstellen dort zu leben. Ich bin einigermaßen verwurzelt hier, was natürlich noch stärker wird, wenn man Kinder hat. Auch mein Kind ist schließlich hier geboren. Ich ertappe mich oft dabei, wie ich durch die Straße gehe und denke: Daran wird sich das Kind mal erinnern. Das wird seine Heimat sein. Der Gedanke ist komisch für mich, aber dann auch wieder nicht.
[…] Für @katjazwitschert frage ich mich, wo eigentlich meine Heimat ist: dentaku.wazong.de/2013/08/11/heimat/ # Microblog […]
„Nicht von da.“ Verwirrt mich immer noch, dieses „da“, wenn „hier“ gemeint ist. Macht man das in Bayern auch, oder ist das nur weiter westlich? Bis wo geht es nach Norden? Ich glaube, in Heidelberg machen sie es noch, aber in Frankfurt schon nicht mehr. Bin aber nicht sicher.
Ich glaube, dass das im ganzen Süden in der Form gebräuchlich ist. Zumindest aber im Bairischen und Schwäbischen.
Franken, Badener und Hessen müsste man mal danach fragen.
[…] Thomas Renger: Heimat? […]
[…] Thomas Renger: Heimat? […]
[…] @e13Kiki Hahn (aber versuch erst gar nicht, mich irgendwo zu verorten dentaku.wazong.de/2013/08/11/heimat/ ). # Microblog […]
[…] (vgl. Blogparade über Heimat von @katjazwitschert: katjaevertz.de/2013/08/blogpa… bzw. dentaku.wazong.de/2013/08/11/hei… ) # Microblog […]
[…] Haha, das Sprachquiz weiß auch nicht, wo ich herkomme (vgl. dentaku.wazong.de/2013/08/11/hei… ); fast ganz Westdeutschland rot. http://t.co/ukQUasu7xQ # Microblog […]
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